Silvrettarun 3000 Recap

in Kooperation mit Keller Sports

Silvrettarun 3000 Recap

Ein Marathon auf knapp 3000 m Höhe? Mehr als 1800 zu überwindende Höhenmeter? Schneefelder und Geröll oben auf dem Gletscher? Diese Herausforderung wollten wir uns nicht entgehen lassen! Aber fangen wir von vorne an.

Unsere Anreise

Nach etwa acht Stunden Fahrt von Dresden und einem kurzen Zwischenstop in München erreichen Lisa und ich am Donnerstagabend den Ort Galtür im Paznaun. Bereits auf dem Weg dorthin, über die Silvretta-Hochalpenstraße kommen wir aus dem Staunen kaum heraus. Das Alpenpanorama ist einfach immer wieder beeindruckend. Vorbei an Garmisch-Partenkirchen und Deutschlands höchstem Berg, der Zugspitze, geht es über die Grenze nach Österreich und schließlich in das Paznauntal. Sanft schlängelt sich die Straße dahin, so dass man gar nicht merkt, dass man immerhin schon auf 1.584 m über dem Meeresspiegel angekommen ist. Untergebracht sind wir im Hotel Monte, dass uns mit einem ausgezeichneten 4-Gänge Menü in Empfang nimmt. Die Küche verbindet alpenländische Tradition mit einem modernen Anklang und auf unsere veganen Sonderwünsche wird sehr rücksichtsvoll eingegangen. Dieser gelungene Mix setzt sich auch in der Einrichtung der Zimmer fort. Viel Holz und klare Linien schaffen eine wunderbare Wohlfühlatmosphäre und nach der langen Fahrt und dem üppigen Abendessen fallen wir erschöpft ins Bett.

E-Mountainbike Tour zum Einstieg

Ausgeruht und nach einem ebenso reichhaltigen Frühstück erwartet uns schon Heinz, unser Guide für die E-Mountainbike Tour, die Isabell vom Tourismusverband Paznaun für uns arrangiert hatte. Auch wenn das E-Bike unter Sportlern natürlich einen etwas fragwürdigen Ruf besitzt ist es für uns eine prima Gelegenheit, aktiv die Gegend zu erkunden, ohne uns am Tag vor dem Wettkampf zu sehr zu verausgaben. Heinz zeigt uns den Stausee Kops weiter oben im Tal mit seinem türkisblauen Wasser und führt uns nach einer halsbrecherischen Abfahrt wieder nach oben zur Friedrichshafener Hütte auf 2138 m. Hätten wir die 16 Kehren dorthin ohne Zusatzantrieb zurücklegen müssen wäre an einen Marathon am nächsten Morgen wahrscheinlich nicht zu denken gewesen. Oben gibt es Kasmuas und Kaiserschmarrn, beides in einer köstlichen Variation als Teil des kulinarischen Jakobswegs, für den fünf internationale Starköche jedes Jahr neue Gerichte für ausgewählte Hütten im Paznaun kreieren. Danach geht es mit vollen Bäuchen wieder hinab ins Tal. Heinz legt die Pace vor und wir finden immer mehr Geschmack daran, die Räder laufen zu lassen und etwas mehr Tempo rauszukitzeln. Unter anderen Umständen hätten wir die Tour sicher auch gänzlich aus eigener Kraft zurückgelegt – vielleicht beim nächsten Mal.

Unten angekommen werden wir bereits beim Racebriefing und der Pastaparty erwartet. Obwohl die Tage vorher noch Gewitter angesagt war ist bestes Wetter zu erwarten und alle Strecken können wie geplant ausgeführt werden. Wir sind überrascht, dass bei einem solchen Lauf keinerlei besondere Ausrüstung vorausgesetzt wird. Lediglich auf die Notwendigkeit von passendem Schuhwerk und Sonnenschutz wird hingewiesen. Aufgrund der hohen Dichte an Verpflegungsstationen ist eine Eigenverpflegung nicht notwenig. Trotzdem packe ich am Abend noch in Ruhe meinen Trailrucksack von Black Diamond, lege mir mein Raceoutfit zurecht und gehe erwartungsvoll schlafen.

Raceday

Am Start in Ischgl, unter der Talstation der Silvrettabahn, herrscht eine super Stimmung. Der Startschuss für die beiden längeren Distanzen fällt um 8 Uhr. Lisa hat sich für die mittlere Strecke entschieden, die auf 30 km immerhin gut 1.600 Höhenmeter enthält. Gleich nach Verlassen des Orts geht es steil den Berg hinauf durch den Wald. Wir gehen immer wieder ein Stück um nicht gleich zu Beginn alle Energie zu verfeuern. Um das erste Zeitlimit zu erreichen müssen wir auf den ersten 15 km einen Schnitt von 8:45 min/km zurücklegen. Trotz etwa 1.000 Höhenmetern eine machbare Aufgabe. Von der Forststraße geht es auf einen schönen Single Trail, allerdings nur für kurze Zeit. Nach knapp 5 km erscheint bereits der erste Verpflegungspunkt. Mir ist es noch viel zu früh, um etwas zu mir zu nehmen und ich trinke lediglich im Vorbeigehen einen Schluck Wasser. Danach geht es erstmal etwas flacher weiter. Der Weg ist hier asphaltiert, aber die Aussichten sind grandios und das Wetter einfach perfekt. Bei Kilometer 7 forciere ich etwas das Tempo. Ich merke, dass ich heute gute Beine habe und Lisa möchte sich von mir nicht unter Druck setzen lassen, also laufen wir von hier an alleine weiter. Lisa wurde durch eine Verletzung im Monat vorher ein wenig zurückgeworfen. Trotzdem macht sie ein klasse Rennen und erreicht am Ende einen starken sechsten Platz in ihrer Altersklasse.

Es geht weiter durch ein breites Tal in Richtung Heidelberger Hütte, wo es das erste Zeitlimit zu erreichen gilt. Wir befinden uns bereits oberhalb der Baumgrenze, aber die Vegetation ist noch herrlich grün. Immer wieder kreuzen Gebirgsbäche den Weg, links und rechts auf den Hängen sind Schneefelder zu sehen und vor uns das beeindruckende Bergpanorama mit mehreren Dreitausendern. Es geht nur leicht bergauf und ich versuche weiter meinen Kilometerschnitt nach unten zu drücken, in der Ahnung, dass ich auf dem Anstieg zum Kronenjoch noch genügend Gehpausen einlegen werden muss. Schließlich erreiche ich nach gut 15 km die Hütte mit ca. 25 min Vorsprung auf das Zeitlimit. Hier trennen sich auch die Strecken Medium und Hard und wer über dem Zeitlimit liegt muss auf die kürzere Strecke wechseln. Was vorher noch ein breiter Schotterweg war wird jetzt zum steinigen Single Trail. Es ist zwar noch nicht sehr steil, der Untergrund wird aber zunehmend technischer, so dass es immer schwieriger wird, einen stetigen Laufrhythmus zu finden. Nach und nach weicht auch das satte Grün einem dunkleren Grau. Der Weg wird steiler und steiler und die ersten Schneefelder müssen durchquert werden. Ein richtiger Weg ist nun nicht mehr zu erkennen, unter meinen Füßen befindet sich nur noch abwechselnd Schnee und Geröll. Über 2.500 m wird die Höhenluft deutlich spürbar, obwohl schwer zu sagen ist, ob es am Sauerstoffmangel oder an der allgemeinen Erschöpfung liegt. Trotz allem bin ich euphorisiert. Der letzte Anstieg holt nochmal alles aus mir raus. Auf den letzten 4 km haben wir etwa 500 Höhenmeter zurückgelegt. Auf dem Gipfel lasse ich mir eine kurze Pause nicht nehmen und der Blick in beide Richtungen ins Tal ist ausreichend Belohnung für die hinter mir liegenden Strapazen.

Was es auf der einen Seite hinaufging geht es nun auf der anderen hinunter. Doch die Freude übers Bergablaufen hält sich in Grenzen. Der Untergrund ist alles andere als einladend und wer auf den steilen Hängen und Serpentinen auf losem Schotter und Geröll nicht hochkonzentriert ist riskiert schnell einen üblen Sturz und ernsthafte Verletzungen. Ich lasse es langsam angehen und bremse immer wieder ab. Für mich geht es um nichts und eine Zeit habe ich mir auch nicht vorgenommen. Auch auf der anderen Seite des Kronenjochs müssen immer wieder Schneefelder durchquert werden, über die ich teilweise mehr rutsche als laufe. Nach und nach kehrt die Vegetation zurück und auch die Wege werden wieder einladender. Ein wunderschöner Single Trail führt entlang eines reißenden Gebirgsbaches Richtung Jamstalhütte, wo es das zweite und letzte Zeitlimit zu erreichen gilt. Für mich ist dieser Abschnitt das Highlight der gesamten Strecke. Ich bin fast alleine unterwegs und genieße die traumhafte Umgebung und den steigenden Sauerstoffgehalt in der Luft. Mit 90 Minuten Vorsprung auf den Cutoff und 26 km in den Beinen erreiche ich die Jamstalhütte. Bei einem normalen Marathon stünde mir der härteste Teil jetzt noch bevor. Hier ist mir allerdings klar, dass es von jetzt an entspannt werden würde, wobei eine unangenehme Überraschung noch auf mich warten sollte. Nach einem Blick auf die Uhr packt mich jetzt doch ein wenig der Ehrgeiz, denn mir wird klar, dass eine Zeit unter 5:30 Stunden noch realistisch ist. Also nehme ich die Beine unter die Arme und peile einen Schnitt um die 5 min/km für den letzten Teil des Rennens zurück nach Galtür an. Soweit so gut, Kilometer für Kilometer vergehen wie im Flug und der Blick ins Tal weckt freudige Erwartungen. Der Untergrund ist zwar weiterhin technisch, aber nichts im Vergleich zu dem Geröll, was hinter mir liegt.

Und dann passiert es – Ein kleiner Moment der Unaufmerksamkeit, die Fersen zu wenig herangezogen und ich bleibe mit dem linken Fuß an einem Stein hängen. Ich habe ein flottes Tempo drauf und fliege in hohem Bogen durch die Luft. Mit einem Krachen lande ich mit Schulter und Knie in einem Feld aus spitzen Steinen. Vor meinem inneren Auge sehe ich mich schon auf dem Weg ins Krankenhaus. Durch meinen Schrei wird die Läuferin vor mir auf mich aufmerksam und kommt zu mir zurück. Nachdem ich mich vom ersten Schreck erholt habe versuche ich aufzustehen und taste die schmerzhaften Stellen an meinem Körper ab. Vielleicht doch nur ein paar Schürfwunden? Ich muss einen Moment innehalten um mich zu vergewissern, dass ich nicht nur unter Schock stehe. Und siehe da, es geht, ich kann ohne Schmerzen auftreten und auch die Schultern frei bewegen. Das Brennen der Schürfwunden wird vom Adrenalin und den Endorphinen überdeckt – Da bin ich nochmal mit einem Schrecken davongekommen. Ich laufe die nächsten fünf Kilometer mit Johanna, die später Siegerin in der Altersklasse W20 wird, zusammen und wir pushen uns gegenseitig, mal ist der eine ein Stück vorne, mal der andere. Als wir wieder an einer Verpflegungsstation ankommen möchte ich keine Zeit verlieren. Ich weiß, dass es knapp wird mit den 5:30 Stunden und laufe einfach durch. Von jetzt an bin ich wieder alleine unterwegs. Es geht noch einmal steil den Berg hoch, die Stelle kenne ich noch von der Mountainbike Tour am Tag vorher, da waren wir allerdings heruntergefahren. Rechts kann man bereits das Ziel sehen und den Moderator hören, es geht aber nochmal zwei Kilometer grade aus und von dort auf der anderen Seite des Dorfbachs wieder zurück. Ich bin jetzt voll im Wettkampfmodus, ich will die 5:30 Stunden unbedingt unterbieten. Immer wieder machen kleine Anstiege es mir schwer, meinen Schnitt zu halten aber ich beiße mich durch und sammle einen Läufer nach dem anderen ein, denen auf den letzten zwei Kilometern die Kräfte ausgehen. Dann die letzten 500 Meter. Ich muss mich schwer zusammenreißen aber ich weiß, dass ich es gleich geschafft habe. Nach 5:29:23 Stunden überquere ich glücklich die Ziellinie und bin erstmal überwältigt von dem, was ich soeben erlebt habe.

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Alle Infos zum Trailevent findest du hier

Website: www.galtuer.com

Facebook: galtuer.paznaun

Instagram:@galtuer_com

Website: www.paznaun-ischgl.com

Facebook: ischgl.paznaun

Instagram:@ischgl_com

Am nächsten Tag schmeckt uns das Frühstück noch einmal doppelt so gut und wir nutzen die Zeit, die wir vor der Rückfahrt haben, um mit der Silvrettabahn von Ischgl aus hoch ins Skigebiet zu fahren. Die Silvrettacard ist für Übernachtungsgäste inklusive und kann für die Bergbahnen und öffentlichen Verkehrsmittel in der Region genutzt werden. Es ist deutlich kälter geworden als am Tag davor und deshalb machen wir uns nach ein paar Ausblicken wieder zurück ins Tal. Wehmütig steigen wir ins Auto und machen uns auf den Heimweg. Die Berge fehlen uns schon jetzt. Wir kommen gerne wieder!

Fotos: Sportfotograf

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