Zugspitz Ultratrail Recap

Zugspitz Ultratrail Recap

Seit vielen Jahren steht die Königsdisziplin vom Zugspitz Ultratrail auf meiner Bucket List. Vor ein paar Tagen habe ich die 108 Kilometer inklusive 5.200 Höhenmetern nun gefinisht. Im Artikel soll es dabei nicht nur um diesen einen Wettkampf gehen, sondern auch um meine Story rundum das Thema Ultratrails.

Höher und weiter 

Mein erster Ausflug an die Zugspitze war bereits 2013. Beim Basetrail über 36 km und 1.892 Höhenmeter habe ich das erste Mal Bergluft geschnuppert. Ab diesem Moment war es um mich geschehen: Das Thema Ultratrails hatte mich in den Bann gezogen. Mit dem Ziel jedes Jahr die Distanz zu steigern, wollte ich mich den 100 km langsam nähern. Passend dazu startete auch der erste Trailrunningboom im Deutschland und die „Randsportart“ gewann immer mehr an Bedeutung. Wie Kilian Journet über die Trails fliegen — Das war genau mein Ding. Zumindest bei der Ausrüstung konnte ich ohne Probleme mithalten. Teilnahmen an der Supertrail Distanz und weiteren Wettkämpfen folgten. 2016 sollten es dann zum ersten Mal die 100 km beim ZUT sein. Mein Körper war fit, aber mein Kopf dagegen wollte in dieser Nacht nicht mehr weiter. Stress in der Uni und private Unstimmigkeiten sind nicht die perfekte Grundlage für einen Lauf über viele Stunden. Nach 82 km stieg ich bei Dauerregen und im Dunkeln aus.

2017 ging ich dann die Zugspitz Trailrun-Challenge an, eine wunderbarer Lauf über 45 Kilometer hinauf bis auf die Zugspitze. Danach fand ich mehr Interesse am Straßenlauf und fokussierte mich auch darauf. Den ZUT hatte ich immer noch im Hinterkopf und 2019 sollte es abgehakt werden. Aufgrund von schlechtem Wetter wurde die Strecke jedoch auf 63 km gekürzt. In den darauffolgenden beiden Jahren fand durch die Pandemie leider kein Event beim ZUT statt. Klar war das schade, aber so richtig gewurmt hatte mich das trotzdem nicht. Die große Passion zum Ultrarunning war etwas verflogen, aber der Ehrgeiz, so einen Lauf zu finishen, stets präsent.

2022 – Back to the Basics und Fokus auf den ZUT

Im Nachhinein lässt es sich immer einfach erzählen, wie gut die Vorbereitung und das Rennen liefen. Doch nüchtern betrachtet, war es für mich ein hartes Stück Arbeit, wieder Spaß am Ultrarunning bzw. am Laufen zu finden. Nach meinem Marathon im letzten Herbst fiel ich in ein richtiges Motivationsloch und ich konnte mir gar nicht vorstellen, im Juli an der Startlinie zu stehen. Als wir uns dann im Winter mit meiner Crew, den Pace Killers, mit mehr als 10 Leuten beim ZUT anmeldeten, gab es dann kein Zurück mehr — 2022 muss das Ding gelaufen werden.

Um wieder Spaß am Trailrunning zu finden, ging ich das Thema mit Thomas an. Thomas hat einen sehr guten Background im Lauftraining-Bereich, aber in erster Linie ist er einer meiner besten Freunde. Auf der Laufstrecke weiß er ebenso zu überzeugen. Hört zu diesem Thema auch gern in die Pace Presso Folge über den Berlin Marathon rein. So standen dann in den ersten Wochen des Jahres Grundlagentraining und viele Krafteinheiten auf dem Plan. Nach und nach steigerten wir die Distanz und auch immer mehr Höhenmeter fanden sich in meinen Läufen wieder. Einheiten über zwei Stunden waren somit überhaupt kein Problem und ich entwickelte wieder mehr Spaß daran.

Im Anschluss folgte der Zugspitz Ultratrail Endurance Plan von Michael Arend, aktuell von Two Peaks Endurance weiter geführt. Nach ein paar Wochen von den angedachten 16 Wochen wurde mir schnell klar, dass es mit Sicherheit das letzte Mal sein wird, so einen Umfang anzugehen. Die vielen Trainingsstunden ließen sich nur schwer in den Alltag integrieren. Um mich nicht wieder so ausgebrannt zu fühlen wie im Herbst nach dem Marathon, ließ ich hin und wieder ein paar Einheiten ausfallen. Es kam auch mal vor, dass ich zwei Wochenenden hintereinander gar keinen Long Run absolvierte. Ich brauchte einfach mal eine Pause und daher genoss ich diese Zeit lieber mit meiner Familie und meinen Freunden. Dennoch absolvierte ich viele Qualitätseinheiten: Höhenmeter Trainings mit Stöcken, Bergsprints, 60 km und 1.900 Höhenmeter beim Laußnitztrail sowie einige Long Runs. Jede Woche stieg die Form und auch eine hartnäckige Erkältung konnte mich nicht mehr aus der Bahn werfen.

Willkommen beim ZUT – The biggest Trailrunning Event in Germany

Einen Tag vor dem Lauf reisten wir mit der Crew in Grainau an. Wir hatten eine wunderbare Unterkunft mit Blick auf die Zugspitze gebucht und umso mehr freuten wir uns schon auf den Tag danach, um dort gemeinsam zu entspannen. Auf der Expo holten wir unsere Startunterlagen ab und stärkten uns am Abend noch beim Italiener. Beim Rucksäcke Packen stieg aber so langsam die Spannung in mir auf. Durch den Kopf ging mir nur:

„Krass, morgen ist es endlich so weit — ich hab Bock, aber vor allem Respekt.“

Raceday

Schuhe geschnürt, GPS gefunden und los ging es. Auf den ersten Kilometern herrschte pure Lockerheit. Mit Thomas und Arne aus meiner Crew plauderten wir entspannt dahin und freuten uns noch auf das, was kommt. Nach drei Kilometern gelangten wir dann zu einem Nadelöhr und die beiden stiegen den ersten kleinen Anstieg ca. 20 Läufer vor mir hoch. Oben angekommen, konnte ich beide nicht mehr sehen und so lief ich einfach locker weiter. Hätte ich da schon gewusst, dass ich beide gar nicht mehr finden würde, wäre ich flotter hinterher geeilt. Aber so ließ ich mir Zeit, da sich der Aufstieg bis zum Kreuzeck sowieso ziehen würde. Auf Gespräche hatte ich noch keine große Lust. Ich konzentrierte mich vielmehr auf meine Stocktechnik. Während des Aufstiegs konnte ich allerdings den Gesprächen anderer Läufer lauschen. Dabei erfuhr ich so einiges über Mathias, welcher vor mir lief. Er erzählte seinen Kollegen alles über seine Trailschuhe, warum er keine Stöcke nimmt und und und.

Zugspitz Ultratrail

Hochalm V1 – 13 km | 1.070 Höhenmeter

Da ich diesen Aufstieg bereits einige Male gelaufen bin, blieb ich recht gelassen und freute mich auf den ersten V1. Leider stand dort nur ein Wasserfass zur Verfügung und es entstand ein kleiner Kampf um das Nachfüllen der Flasks. Von entspannten Ultraläufern war dann kurzzeitig nicht mehr die Rede und jeder war sich selbst der Nächste. Ich arbeitete mich mit meinen Stöcken daher einfach weiter zur Alpspitzbahn. Innerlich jubelte ich ein wenig, denn durch die Startverlegung nach Garmisch musste man den Anstieg nicht mehr am Ende, also im Dunkeln, absolvieren. Beim anschließenden Abstieg nach Hammersbach kam ich gut ins Rollen. Auf einem Single Trail lief ich dann wieder auf Mathias auf. Dieser diskutierte derweil mit anderen Läufern über die aktuellen Holzpreise. Ich hörte interessiert zu und sammelte Wissen über die Beforstung der letzen 50 Jahre in Deutschland. Danach kam ich in einen richtigen Flow und genoss den Downhill.

Hammersbach V2 – 23 km | 1.380 Höhenmeter

Nach meinem Downhill Flow kam ich am zweiten Verpflegungspunkt an. Die Vorfreude auf eine Erfrischung war groß. Unverständlicherweise war das Wasser bereits alle und nach ein paar Minuten entschied ich dann direkt weiter zu laufen. Im daneben liegenden Bach füllte ich aber meine Flasks auf — was soll schon passieren? Ein paar Meter weiter hörte ich einen Mitläufer zu seinem Freund sagen: „Falls das Wasser unrein ist, spürst du es dann eh erst in 24 Stunden.“ Ich dachte mir nichts dabei und sammelte weiter Kilometer.

Eibsee V3 – 30 km | 1.780 Höhenmeter

Am dritten Verpflegungspunkt gab es dann endlich alles. Ich gönnte mir Orangen, Melonen und vor allem Wasser. Mit einer Handvoll Nüsse ging ich die kommenden Uphills an. Mit meinem Mix der Woche von Spotify und meiner erprobten Stocktechnik lief ich mich in eine Art Rausch. Über die eine lange Schotterpiste und Ski-Abfahrt hinweg überholte ich nach und nach Läufer und fühlte mich einfach großartig.

Gamsalm V4  – 39 km | 2.400 Höhenmeter 

Auf den letzten Metern zur Gamsalm ging es steil bergab, aber gute Laune lieferte mir weiterhin Spotify. Im neusten Tottenham Hotspur Podcast wurde der Transfer von Djed Spence verkündet. Damit freute ich mich direkt noch mehr auf die neue Premier Leauge Saison, wenn der Junge auf dem rechten Flügel wirbeln wird und ich dabei entspannt auf dem Sofa zuschauen kann. Beim Verpflegungspunkt gab es schließlich Suppe und wieder ordentlich Obst. In unserer WhatsApp Gruppe ploppte dann gerade auf, dass Thomas bereits beim V5 ist. Stark! 

Pestkapelle V5 –  47 km | 2.990 Höhenmeter

So gut wie es bisher lief, so schlecht lief es bis zum V5. Die Mittagshitze machte mir zu Schaffen und der Schweiß schoss aus jeder Pore. Ich fing so langsam an herum zu rechnen: Ab wann ist eigentlich genau Halbzeit? Zumindest lenkte mich dies ein wenig ab und ich machte weiterhin Meter. Die Marathon Marke wurde mit einem Maurten Gel und einem großzügigen Schlug ISO gefeiert.

„Nach V6 ist der größte Teil geschafft und danach wird nur noch gerollt.“

— So war es zumindest in meinen Gedanken. Der Abschnitt lief sich jedoch sehr träge dahin. Die drei Peaks auf der Karte sahen nicht so krass aus, wie sie sich anfühlten. Langsam schmerzten die Füße. Zumindest warteten bei V6 frische Trailschuhe auf mich. Eingehende WhatsApp Nachrichten waren Balsam für den Kopf und irgendwie kam ich bei der Hämmermoosalm an.

Zugspitz Ultratrail

Hämmermoosalm V6 – 60,5 km | 3.750 Höhenmeter 

Ich hatte mich noch nie so arg auf einen Schuhwechsel gefreut. Der neue Zegama von Nike war jetzt genau das, was ich benötige: Komfort. Es rollte sich wieder einfacher und ein Blick auf die Uhr sagte mir: Über die Hälfte hab ich! Im Scharnitzjoch musste ich dann ein paar Mal stehen bleiben, um kurz Kraft zu sammeln. Die abgespulten Höhenmeter machten sich langsam bemerkbar, aber wenig später wurde es zum Glück flacher. Auf dem Downhill zum V7 brach die Dunkelheit herein und ich war froh den letzten größeren Abstieg noch im Hellen gelaufen zu sein.

Lettischer Ache V7 – 73 km | 4.400 Höhenmeter

Die flacheren Passagen taten mir sehr gut und ich kam immer mal wieder in’s Rollen, merkte aber, dass kurze Gehpassagen in immer kürzeren Abständen nötig waren. Bisher machte mir die Dunkelheit nichts aus und ich rechnete beim Laufen weiter optimistisch dahin, ob ich es denn noch unter der 20 Stunden Marke in‘s Ziel schaffen würde.

Schützenhaus Mittenwald V8 – 85 km | 4.540 Höhenmeter

Trotz der Dunkelheit kamen mir die letzten Passagen sehr vertraut vor. Kein Wunder: Einige davon lief ich bereits zum vierten Mal. Die Gehpausen wurden größer, dafür waren die verbleibenden Kilometer langsam absehbar. Dazu ließ ich auch nicht viele Gedanken zu, denn ich war bereits voll im Maschinenmodus angekommen und wollte einfach nur noch finshen.

Schloss Elmar V9 – 93,5 km | 4.800 Höhenmeter

Rückwirkend betrachtet fühlte sich der Abschnitt zwischen V7 und V9 sehr gleich an. Viele Gedanken habe ich nicht mehr dazu. Es war einfach ein Abarbeiten von Kilometern, ein hin und wieder auf das Handy Schauen und sich über Nachrichten freuen. Eine Suppe beim V9 sollte mir noch einmal Kraft geben. Der Gedanke, was ich hier überhaupt tue und warum, schoss mir immer öfter durch den Kopf.

Streckenprofil

Eckbauer V10 – 100 km | 5.110 Höhenmeter

Auf der Karte sieht der Abschnitt zum V10 mehr als einfach aus. Jedoch fühlten sich die 300 Höhenmeter an wie 3.000 — Zumindest im Dunkeln und mit dahinschwinden Kräften. Immer wieder lief ich an, immer wieder musste ich kleine Pausen machen. Zweimal fielen mir kurz die Augen zu. Die Suppe beim V9 wurde mir dann mit einem Augenzwinkern überreicht: „Eventuell habe ich etwas zu viel Salz reingetan“ — Jap, das kann ich bestätigen. Mein Magen arbeitete und das letzte Gel konnte ich mir nur mit viel Überwindung einverleiben.

Ziel – 108 km | 5.120 Höhenmeter

Wow, 100 km auf dem Tacho, aber 8 to go. Gibt es bei einem Ultra eigentlich einen undankbareren Moment? Ich füllte mir eine Flask mit Wasser auf und ging die letzte Etappe an. Es soll ja nur bergab gehen, das muss rollen. Bei -20 % über Asphalt ging es ab nach Garmisch und ich ließ es einfach laufen. Erstaunlicherweise fühlten sich zu der Zeit die Oberschenkel gut an. Angekommen im Flachland waren es dann doch noch fünf unerträgliche Kilometer. Ich freute mich auf meine Crew im Ziel und vor allem auf ein kühles Helles. Das Ziel kam langsam in Sichtweite, aber eine netter Streckenposten schickte mich noch einmal nach rechts: „Einfach die Treppen hoch und dann gleich wieder runter“. Während ich mich innerlich über diese Treppenpassage aufregte, hatte ich sie bereits hinter mir. Mir kamen noch ein paar angetrunkene Jugendliche entgegen. Sie applaudieren lautstark und ich ließ meine Laufstöcke für sie kreisen. Den Zielsprint“ hatte ich fast für mich alleine, es war ja auch schon kurz vor 4:00 Uhr. Bei 20:41 Stunden war dann das Ding durch und ich weiß immer noch nicht, wie ich das geschafft habe. Im Kongresscenter fiel mir schließlich Thomas in die Arme und dann waren auf einmal alle da. Danke für euren Support!

Zugspitz Ultratrail

Fazit

Ich bin überglücklich, meinen ersten und vorerst letzten 100er gelaufen zu sein. Das Training war gut und die Ausrüstung ebenfalls. Noch einmal möchte ich mir das nicht antun, aber man sollte ja bekannterweise niemals nie sagen. Egal wie viel man trainiert, an so einem Tag können Nuancen alles entscheiden. Ohne Familie, Freunde und ohne meine Crew wäre ich das Ding wohl nicht durchgelaufen. Es klingt doof, aber die mentale Ebene ist bei so einem Lauf einfach entscheidend. Ach ja —Durch das Bachwasser am V2 hatte es mir am nächsten Tag dann noch den Magen komplett umgedreht.

Bilder: Sportfotograf

2 Kommentare

  1. Rupert
    13. November 2022 at 5:03 — Antworten

    Schön, witzig und ehrlich geschrieben – viele Läufer geben z.B. nicht gerne zu dass die gegangen sind ( na klar bin ich die 108km voll durchgejoggt 😄 ). Nach dem Eiger E101 dieses Jahr habe ich auch „niemals wieder!“ gesagt, aber momentan bin ich für nächstes Jahr voll am überlegen und planen 😊

    LG
    Rupert

    • 14. November 2022 at 15:08 — Antworten

      Hi Rupert,
      danke für dein Feedback! Aktuell bin ich immer noch auf „niemals wieder“ eingestellt. Vielleicht im übernächsten Jahr. 😉

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