Nach meiner erfolgreichen Bestzeit beim Wien Marathon im April leitete Jan eine Anfrage an mich weiter, ob ich im Juli beim Stubai Ultratrail mitlaufen möchte. Für mich die perfekte Gelegenheit, den Sommer über nicht in ein Motivationsloch zu fallen und gleichzeitig ein tolles Wochenende in den Bergen zu verbringen. Ein paar Bekannte von mir hatten bereits am Stubai Ultratrail teilgenommen und ich hatte viel Gutes darüber gehört. Besonders der Start in Innsbruck mitten in der Nacht, der Sonnenaufgang auf der Starkenburger Hütte, sowie der furchteinflößende Schlussanstieg auf den Stubaier Gletscher versprachen ein spektakuläres Erlebnis. Da ich natürlich das volle Programm mitnehmen möchte, entscheide ich mich für die lange Distanz mit 68 km und 5.000 Höhenmetern.
Vorbereitung
Als Städter im Flachland ist es immer eine Herausforderung, sich auf einen alpinen Traillauf vorzubereiten. Zum Glück haben wir in Frankfurt am Main den Taunus vor der Tür. Auch wenn die Berge dort im Vergleich zu den Alpen eher mickrig sind, gibt es ein paar schöne Anstiege, an denen man sich auspowern kann, sowie eine Handvoll technische Downhills. Ich habe nicht nach Plan trainiert, sondern lediglich versucht, große Umfänge mit vielen Höhenmetern zu laufen. Zur Vorbereitung nahm ich noch spontan an einem kürzeren Ultratrail in Imst teil, ebenfalls in der Nähe von Innsbruck. So fühlte ich mich einigermaßen gewappnet für das, was mir bei SUT bevorstand.
Anreise/Registrierung/Rahmenprogramm
Ich reiste am Donnerstag mit meinem Kumpel Tim an, der beim SUT auch als Streckenmarkierer und Vorläufer tätig ist. Untergebracht bin ich im Hotel Bergjuwel, welches am Rande von Neustift liegt. Obwohl der Start in Innsbruck erfolgt, ist Neustift das Zentrum des Stubai Ultratrails. Hier müssen auch die Startnummern abgeholt werden und am Donnerstagabend vor dem Start findet hier der Stubai Vertical statt, bei dem auf lediglich 7,2 km 1.024 Höhenmeter überwunden werden müssen. Die Abholung meines Starterpakets funktioniert reibungslos und ich lasse den Abend noch bei einem Teller Nudeln ausklingen, bevor ich früh ins Bett gehe.
Wettkampf
Am Freitag versuche ich mich den Tag über möglichst viel auszuruhen. Ich bin noch nie in der Nacht bei einem Rennen gestartet und kann nicht einschätzen, wie mein Körper darauf reagieren wird. Klar ist aber auch, dass ich vorher nicht lange schlafen kann. Draußen regnet es in Strömen, also verbringe ich die meiste Zeit auf meinem Hotelzimmer, im Fernsehen läuft die Tour de France und ich döse etwas vor mich hin. Trotzdem vergeht die Zeit wie im Flug, zum Abendessen gibt es nochmal Nudeln, ich kontrolliere ein letztes Mal meine Ausrüstung und schon wird es langsam Zeit, mich zum Shuttle zu begeben, welches uns zum Start nach Innsbruck bringt.
Am Start ist eine super Stimmung. Alle sind gespannt und wahrscheinlich auch ein bisschen nervös auf das Rennen. Ich treffe meinen alten Kumpel René, er hat sich vorgenommen unter 10 Stunden zu finishen, ich eher unter 11 Stunden. Allerdings lässt sich das bei so einem Lauf im Vorfeld sowieso schwer einschätzen. Der Startschuss fällt und wir laufen durch das nächtliche Innsbruck. Um diese Uhrzeit fühlt es sich immer noch etwas surreal an. Es sind einige Menschen auf den Straßen, manche eher verwundert, andere feuern aktiv an. Ehe man sich versieht sind wir auch schon aus der Stadt raus und es geht in Richtung Sillschlucht. Alles ist noch feucht und leicht vernebelt vom Regen am Vortag, doch es läuft sich überraschend gut. Der Lauf durch die Schlucht ist ein kleines Abenteuer, aber ich finde einen guten Rhythmus und nehme mir vor, unter einer Stunde am ersten VP anzukommen.
Bis Telfes lasse ich es locker rollen. Es gibt schon kleinere Anstiege, allerdings nichts, was allzu viel Kraft kostet. Dann geht es langsam in den ersten langen Anstieg über die Schlicker Alm. Rechts in den steilen Felswänden der 2.808 m hohen Schlicker Seespitze hängt mystisch der Nebel, kaum erkennbar in der Nacht. Von da geht es steil hoch zur Starkenburger Hütte auf 2.237 m. Ich bin längst in den Hiking Modus übergegangen, komme allerdings immer noch zügig und kraftvoll voran. Der Blick zurück ins Tal ist bombastisch. Die Morgenröte gibt langsam das Bergpanorama preis und über dem Tal liegt eine Wolkendecke. Oben angekommen mache ich meine Stirnlampe aus. Es ist zwar noch nicht ganz hell, aber die Sicht ist gut und ich kann mich so besser auf meine Umgebung konzentrieren. Am VP gehe ich zügig weiter und mache mich auf den Downhill runter nach Neustift. Hier nehme ich mir nun die Zeit, meine Stirnlampe ordentlich wegzupacken, Cap und Sonnenbrille aufzusetzen und meine Softflasks aufzufüllen.
Der nun bevorstehende Teil sollte sich leider als schwieriger herausstellen, als gedacht. Nach knapp 40 km und über 2000 Höhenmetern in den Beinen rollt es sich auch im flachen Gelände leider nicht mehr so gut, wie gewohnt. Der lange Downhill hat meine Oberschenkel ganz schön in Mitleidenschaft gezogen und die kleinen Anstiege bringen mich immer wieder aus dem Rhythmus, so dass ich auf diesem Abschnitt leider einige Plätze einbüßen muss. Die 600 Höhenmeter zur Fallbesoner Nockalm, die auf dem Profil so harmlos aussahen, werden zur Geduldsprobe. Auf dem Downhill danach merke ich, dass in meinen Beinen nicht mehr viel Kraft steckt und das, obwohl ja der große Anstieg noch bevorsteht. Die Strapazen werden allerdings belohnt. Entlang des Wilde Wasser Wegs läuft es sich prima, das Wetter ist fantastisch und ich finde langsam wieder zurück in einen Rhythmus aus lockerem Joggen und kurzen Gehpassagen. So vergeht die Zeit wie im Flug und ich mache mir sogar Hoffnungen, meine angepeilte Zeit unter 11 Stunden noch zu erreichen. Angekommen an der Mutterberg Talstation, nach 58,5 km und 3.490 Höhenmetern, mache ich mich auf den letzten Anstieg hoch auf den Stubaier Gletscher. Da die Bedingungen oben an der Jochdole auf 3.150 m zu schlecht sind, endet der Stubai Ultratrail in diesem Jahr 190 Höhenmeter tiefer an der Bergstation Eisgrat.
In diesem Moment ist das für mich allerdings nur ein kleiner Trost. Bei Steigungen jenseits von 30 Prozent vergeht mir die bis eben noch gute Laune und die angepeilten 11 Stunden rücken in weite Ferne. Was folgt sind die längsten 5 km meines Lebens. Ich quäle mich Schritt für Schritt voran und je näher ich dem Ziel komme, desto mehr spüre ich auch die Höhenluft. Am letzten VP bei der Dresdner Hütte trinke ich noch einmal ausgiebig und fülle meine Softflasks auf. Die Mittagshitze ist nun deutlich zu spüren und der letzte Abschnitt zieht sich ins Unendliche. Nach 11 Stunden und 34 Minuten erreiche ich endlich das Ziel. Auf mich warten mein Kumpel Tim und René, der zwar ebenfalls sein Ziel nicht erreicht hat, aber immerhin eine starke 10:40 abgeliefert hat. Ich lasse mir den Kaiserschmarren schmecken, den es für alle Finisher gibt, sitze noch ein bisschen in der Sonne und mache mich dann wieder auf den Weg ins Tal.
Fazit
Jedem, der eine besondere Herausforderung sucht, kann ich den Stubai Ultratrail nur wärmstens empfehlen. Mein Highlight war definitiv die Morgenstimmung an der Starkenburger Hütte. Wer sich lediglich an dem Schlussanstieg versuchen will, kann kürzere Distanzen über 32 km, 20 km oder 9 km wählen, die dann jeweils später an anderen Punkten auf der Strecke starten.
Biklder: Andi Frank Photografie
1 Kommentar
Vielen Dank für den Bericht! das klingt nach einer krassen Erfahrung in der dünnen Luft…