In den letzten Jahren hat sich in Bezug auf das Material moderner Wettkampfschuhe viel verändert. Was früher einfach „leichte Rennschuhe“ waren, ist heute ein hoch abgestimmtes System aus Schaum, Platte und Geometrie, das die Laufeffizienz messbar verbessern soll. Die bekanntesten Modelle, wie Vaporfly, Alphafly oder der Saucony Endorphin Elite 2, versprechen Leistungsgewinne von bis zu 4 Prozent – und das nicht nur in der Werbung, sondern auch unter Laborbedingungen. Doch woran liegt das genau? Und warum bringen diese Schuhe besonders bei bestimmten Geschwindigkeiten ihre volle Wirkung?
Foam – der eigentliche Booster
Das zentrale Element in modernen Wettkampfschuhen ist der Schaum, also die Mittelsohle, die zwischen Fuß und Boden liegt. Während in der Vergangenheit EVA-Varianten mit eher begrenztem Rückfederungsverhalten verwendet wurden, setzen alle Top-Modelle heute auf moderne, hochreaktive Foams. Diese Materialien sind leichter und vor allem effizienter. Sie speichern beim Auftritt Energie und geben sie im Abdruck gezielt zurück. Typische Vertreter sind Nike ZoomX, Saucony PWRRUN PB, New Balance FuelCell oder Asics FF BLAST Turbo. Der Unterschied zum klassischen EVA-Schaum ist dabei enorm. Moderne Super-Foams bieten eine Energierückgabe von über 85 %, was sich nicht nur spürbar, sondern auch messbar auswirkt – gerade über längere Distanzen. Wer in einem solchen Schuh läuft, merkt schnell, dass die muskuläre Ermüdung am Ende eines Wettkampfs deutlich geringer ausfällt. Die Beine bleiben frischer und das Tempo lässt sich konstanter halten. Es fühlt sich ein bisschen so an, als würde einen der Schuh leicht nach vorne ziehen, ohne dass es künstlich wirkt.
Marke | Foam | Erklärung | Beispiel-Schuhe |
---|---|---|---|
Nike | ZoomX (PEBA) | Extrem leichter, sehr reaktiver Schaum | Vaporfly Next% 4, Alphafly 3 |
Adidas | Lightstrike Pro (TPU) | TPU-basiert, mit EnergyRods kombiniert | Adizero Adios Pro 4, Agravic Speed Ultra |
Saucony | PWRRUN PB (TPE), IncrediRUN (TPEE) | Reaktiv, leicht / Neu, weich & stark rückfedernd | Endorphin Pro 3, Elite 2 |
Asics | FF BLAST Turbo (PEBA), FF BLAST+ LEAP | Leicht, elastisch / Bio-basiert, stabil & reaktiv | Metaspeed Sky+, Paris |
New Balance | FuelCell (PEBA) | Hoher Rebound, voluminöse Dämpfung | SC Elite v4 |
Puma | A-TPU | Elastischer TPU, sehr energiegeladen | Fast-R Nitro Elite 2 |
Hoka | PEBA | Dual-Density-PEBA | Rocket X 2 |
Brooks | DNA Gold (POE) | Temperaturstabiler, reaktiver Performance-Foam | Hyperion Elite 4 |
On | Helion HF (PEBA) | Hochreaktiv, limitiert haltbar | Cloudboom Strike |
Decathlon | VFOAM, VFOAM PLUS | PEBA / PEBA-EVA-Kombi, günstig und leicht | Kiprun KD900X |
Was macht die Carbonfaserplatte?
Die Carbonplatte – oder in manchen Fällen auch eine Platte aus Nylon oder TPU – ist das zweite zentrale Element. Ihre Aufgabe ist es nicht, als „Sprungfeder“ zu wirken, wie oft gedacht wird, sondern vielmehr als stabilisierender Hebel. Sie sorgt für ein strafferes Abrollen und gibt dem weichen Schaum Struktur. In Kombination mit einer Rocker-Geometrie, also einer stark abgerundeten Sohlenform, entsteht dadurch ein Gefühl von dynamischem Vortrieb. Interessanterweise zeigen Studien, dass der größte Effekt dieser Schuhe nicht von der Platte, sondern vom Schaum ausgeht. In Tests wurde die Carbonplatte im Vaporfly beispielsweise entfernt oder durchtrennt – und trotzdem blieb ein Großteil der Energieeffizienz erhalten. Das bestätigt: Die Platte verstärkt die Wirkung des Schaums, ist aber nicht der Hauptakteur. Sie sorgt für Führung, Stabilität und Kontrolle, vor allem bei schnellen Läufen.
Einsatz bei Freizeitläufer:innen – mit Bedacht
Auch wenn Super-Schuhe faszinieren, ist ihr Einsatz nicht für jede Trainingseinheit oder jede Zielgruppe automatisch sinnvoll. Denn sie entfalten ihre volle Wirkung erst bei höheren Geschwindigkeiten, typischerweise ab 4:00 Minuten pro Kilometer. Wer langsamer läuft, beispielsweise im Bereich von 5:00 Minuten pro Kilometer, nutzt den biomechanischen Vorteil der Rocker-Platte-Konstruktion weniger effektiv, dafür steigt der muskuläre Anspruch. Gerade die Waden und die Achillessehne werden durch die steife Platte deutlich stärker belastet. Deshalb gilt: Wer diese Schuhe nutzt, sollte dies gezielt tun, beispielsweise für Wettkämpfe, strukturierte Tempoeinheiten oder als Teil eines abgestimmten Trainingsplans. Im Alltagstraining oder bei regenerativen Einheiten sind Super-Schuhe eher fehl am Platz, da sie die natürliche Laufbewegung nicht fördern und langfristig sogar Überlastungen provozieren können.
Neue Schäume, neue Wege
In den letzten Jahren dominierten PEBA-basierte Foams (z. B. ZoomX oder PWRRUN PB) den Markt, doch aktuell geht die Entwicklung in eine neue Richtung. Die Hersteller suchen nach Materialien, die nicht nur leicht und reaktiv, sondern auch temperaturstabil, langlebig und nachhaltiger sind. Ein Beispiel dafür ist FFBLAST+LEAP von Asics, ein neuer Schaum, der erstmals im Metaspeed Paris Premiere eingesetzt wird. Der Schaum basiert nicht mehr primär auf PEBA, sondern kombiniert verschiedene Polymere zu einer strukturstabileren und gleichmäßiger reagierenden Dämpfung. Das Ziel besteht darin, die Sprungkraft und das Laufgefühl auch bei Hitze, längerer Nutzung oder unterschiedlichen Belastungen aufrechtzuerhalten. Auch Saucony hat mit dem neuen IncrediRUN-Schaum im Endorphin Elite 2 einen Schritt weitergemacht. Dieser TPEE-basierte Schaum bietet eine noch höhere Energierückgabe als PWRRUN PB und fühlt sich zugleich voluminöser und weicher an. Die Idee dahinter ist maximale Dynamik bei gleichzeitig hoher Auflagefläche und verbesserter Dämpfung. Das Ergebnis ist ein Schuh, der nicht nur nach vorne treibt, sondern sich auch bei längeren Distanzen bei maximalem Tempo komfortabel läuft.
Fazit
Wettkampfschuhe haben sich zu kleinen Energiewundern entwickelt: Der Foam ist der Hauptdarsteller, die Platte der stabilisierende Hebel und die Geometrie das verbindende Element. Die größten Effizienzgewinne stammen aus dem Material der Mittelsohle, das heute mehr kann als je zuvor. Gleichzeitig ist ein gutes Verständnis dafür erforderlich, wann und wie diese Schuhe sinnvoll sind – insbesondere für Freizeitläufer*innen. Wer sie richtig einsetzt, erhält spürbare Unterstützung im Rennen oder im Training. Wer zu viel von ihnen erwartet oder sie ständig trägt, läuft Gefahr, den Körper zu überfordern. Wie so oft im Laufsport gilt daher: bewusst dosieren und gezielt nutzen, dann machen diese Schuhe nicht nur schnell, sondern auch richtig Spaß.
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